Montag, 8. August 2011

Auf die Lebenskraft der Brennnessel!

Naturphänomene können die Sinne beflügeln, besondere Gefühle aufkommen lassen, Erinnerungen wach rufen, beruhigen oder anregen. Welche Muster sind es, die ein bestimmtes Gefühl auslösen oder eine bestimmte Erinnerung wach rufen? Wie ist das bei Ihnen? Ich beispielsweise, liebe üppige Hochstauden-Fluren, wie man sie in Waldlichtungen und an feuchten Böschungen findet, dazu den Geruch von moderndem Holz, den Klang von schwirrenden Insekten und von fliessendem Wasser. Das erinnert mich an die vielen Sommerferien, die ich zur Zeit meiner Kindheit im Albulatal verbracht habe, und an alles, was dazu gehörte: Abenteuer, Erlebnisse, Mutproben, August-Feiern, Dorfmusikanten, Freundschaften und natürlich an die komfortable Lage, mehrere Wochen lang einfach schulfrei zu haben. Zusammengefasst, sind die oben beschriebenen Landschaftselementen für mich mit einem schönen Bündel angenehmer Assoziationen verbunden. Kein Wunder oder vielleicht kein Zufall, dass ich noch heute in meinem Garten denjenigen Bereichen besondere Aufmerksamkeit schenke, die mich an die Landschaft des Albulatals erinnerm. Von einem grossen talförmigen Bereich meines Gartens haben die Brennesseln Besitz genommen. Sie streben im Frühsommer in die Höhe, hüllen alles in üppiges Grün und führen hier die Vorherrschaft der Brennessel ein. Die meisten Leute würden sich vermutlich ab so vielen Brennesseln in ihrem Garten aufregen und besorgt den Kampf gegen sie aufnehmen. So auch ich, früher, bis ich eines Tages beschloss, dem so klar statuierten Lebenswillen der Brennesseln stattzugeben und ihnen freien Lauf zu lassen. Sie leben nun also uneingeschränkt ihre erstaunliche Energie bei mir aus, während ich meine Haltung ihnen gegenüber geändert habe. Anstatt mich von ihnen bedroht oder belästigt zu fühlen, liebe ich es, ihnen zuzuschauen, wie sie ohne jede Pflege besser gedeihen als alles Andere, wie sie den Frühlingsgarten mit den verblühenden Narcissen unter ihrem Blättermeer versinken lassen und ihn ganz nach ihrem Geschmack umgestalten. In den ersten Jahren haben sie sich noch kräftig über die damalige Grasflur ausgebreitet und diese vollständig verdrängt, doch jetzt stelle ich fest, dass sie auch anderen Pflanzenarten wieder einen Platz gönnen. Schon kommen in ihrer Mitte gelb blühende Taubnesseln und prächtige Trichter von Straussenfarn auf. Die Artenvielfalt im Brennnesselland erhöht sich. Mein Beitrag zum Ganzen beschränkt sich darauf, dafür zu sorgen, dass niemand die schönen Brennesseln abhaut, bis ich sie dann in den Sommerferien selber mit der Sense abmähe, nachdem die zahlreichen Raupen des kleinen Fuchses darauf ausgewachsen, verpuppt und zu Schmetterlingen geworden sind.

1 Kommentar:

  1. Jetzt hab ich grad nach Neuem auf dem Kusterbäumeundgärten-Blog Ausschau gehalten und bin dabei auf die Brennessel gestossen. Dieser verrückte November, vom Frühwinter in den Frühling gerückt, lässt in meinem Garten die Brennesseln fröhlich wachsen. Im September sind sie gutgemeint vom Nachbarn abgemäht worden, jetzt sind sie wieder voll da. Und sogar ein Schmetterling war gestern zu Besuch, so ein kleiner oranger. Ob er wohl seine Nahrung findet. Viele einzelne Wildblumen blühen, der gestielte Enzian sogar da und dort in Gruppen. Und auf dem Glaspass sind wir einer einzelnen Alpenrosenblüte begegnet. So eine Wilde!

    Was mangels gutem Keller an Gemüse im Boden blieb ist noch immer am wachsen. Das hat extrem guten Zuckerhutsalat gegeben. Ganz herbstig mit rotbraunen Blattsäumen und voll geballter Kraft. Auch die letzten Radiesli, Bodenkohlrabi, Kabis und Lauch. Durch die frostigen Nächte, die durchgeknallte Sonne und die Trockenheit sind sie zu Abenteurern geworden, trotz Verwurzelung.

    Die Hirsche sind dieses Jahr noch nicht ins Dorf gekommen, haben die Gärten noch nicht inspiziert. Nach Hase hat es mal ganz stark gerochen, doch er hat keine weiteren Spuren hinterlassen.

    Irgend etwas ist immer los in einem Garten.

    Grüsse aus den Bergen, oberhalb von da wo Albula und Rhein zusammenfliessen

    Christa

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